Kunst inspiriert durch die Polarisierung in U-Bahnen

Die U-Bahn repräsentiert eine exklusive Welt, sowohl im Sinne der räumlichen Isolation als auch der sozialen Segregation. Es ist ein Mittel des öffentlichen Verkehrs von Stadtmenschen, mehr oder weniger anonym, meistens unterirdisch verlaufend. Ihre Bahnen sind von den anderen öffentlichen Verkehrsmitteln getrennt und leiten durch geförderte Tunnel. Die U-Bahn ist dadurch ein einzigartiges Kommunikations- und Architekturelement des Organismus einer Stadt.
Es gibt nicht so viele Künstler, die ihre Aufmerksamkeit der Welt der U-Bahnen widmen. Jan Miko interessiert sich u.a. deshalb dafür, da er seit Mitte der 90er Jahre der Street Art- und Punkszene angehört. Er gehört zu den Gründungsvätern der Prager Graffitiszene. Er begann 1995 damit, Wände im öffentlichen Raum und U-Bahn-Waggons zu besprayen. Im Jahr 1997 wurde er an die Fachschule für Kunst in Prag aufgenommen. Als Schüler wurde er in Warschau wegen des Sprayens in einer U-Bahn verhaftet und kam in Untersuchungshaft ins anrüchigen Mokotow-Gefängnis.

Die Fachschule für Kunst beendete er erfolgreich. Danach arbeitete er für ein Jahr in Paris – wo er u.a. in der Duplex-Galerie eine Ausstellung hatte. In Paris begann er U-Bahnen – dabei sitzend in den U-Bahn-Stationen – zu malen, inspiriert z. B. vom Architekten François Schuiten (der Autor der Station Arts et Métiers), von Hector Guimard oder von Jules Lavorotte. Die Bilder sind im Stil der strukturierten industriellen Abstraktion entstanden. Das heißt, dass Materialien wie zum Beispiel Sand, Bruchstücke oder Dreck, die die Grundlage der Leinwand bildeten, vorher in der U-Bahn gefunden wurden und dann mit anderen Objekten, z.B. mit der Metro-Tageszeitung oder mit Tickets, zu einer Kollage ergänzt wurden. Dies wurde dann entweder mit Ölpastell zum klassischen Wandbild geformt oder es wurde in die Bilder mit Tapeziertechniken eingeklebt.
Nachdem Jan Miko aus Paris zurückgekommen ist, hat er an der Akademie für Kunst, Architektur und Design in Prag studiert und war bis 2009 im Atelier von Prof. Stanislav Diviš tätig. Um jedoch seine eigene Handschrift, die aus der „Aktionsmalerei“ stammt, zu behalten, war er auch Assistent im Studio des akademischen Malers Vít Soukup. Nachdem Herr Soukup verstarb, brauchte Miko eine Pause von der Malerei und widmete sich dem Studium der Theologie. Gleichzeitig arbeitete er als Dispatcher bei ROPID (Der Regionale Organisator vom Prager öffentlichen Verkehr). Dadurch hat er viel über den öffentlichen Verkehr in Prag erfahren. Im Jahre 2010 hat er eine Zusammenarbeit mit der experimentellen Gruppe Spitfire Company begonnen, die sich mit imaginärem und physischem Theater beschäftigt. Hierbei machte er Aktionsmalerei auf der Bühne, wobei er Musik-, Licht- und Bewegungselemente nutzte, um ein Bild zu komponieren. Mit der Gruppe war er auch auf Europa-Tournee, wo sie u. a. in Polen den Grand Prix beim Fringe Festival gewannen.
Im Jahr 2011 hat Miko wieder aktiv im Atelier in Prag gemalt. 2013 hat er an einem Projekt vom Tschechischen Fernsehen, das sich One Blood nannte, teilgenommen. Dabei hat er im kurdischen Teil des Iraks mit Bahman Salah, einem lokalen Graffiti-Künstler, zusammengearbeitet. Weil Graffiti im Irak als streng bestrafte Provokation gelten, handelt es sich bis heute um das riskanteste Projekt im Leben des Künstlers.

2016 hatte Miko eine Ausstellung im Tschechischen Zentrum in New York, dazu gehörten auch Workshops für Kinder aus der Bronx und „Aktionsmalerei“-Workshops in Brooklyn.
Danach begann er in Berlin U-Bahn-Stationen zu malen. Dabei begeisterte ihn hauptsächlich die Arbeit des Architekten Rainer G. Rümmler, der einige der schönsten Stationen an der Linie U7 entworfen hat. Bei seinen häufigen Berlin-Besuchen (in den letzten fünf Jahren) ist Mikos Zyklus in dem Stil der strukturierten, industriellen Abstraktion, die auch Kollagen einarbeitet, entstanden.
Die Berliner U-Bahn ist die Wirbelsäule des öffentlichen Nahverkehrs der Stadt. Sie besteht aus zehn Linien und wurde schon im Jahre 1902 erbaut. Die U-Bahn hat man auch als Schutzbunker für Zivilisten und Beamte während der Bombardierung im Zweiten Weltkrieg genutzt und so sie ist mit vielen Legenden verbunden. Heute sind in der Berliner U-Bahn 173 Stationen in Betrieb und sie ist 146,3 km lang.
Miko hat für das unterirdische Leben ein großes Einfühlvermögen. Die Waggons haben ihm als mobile Medien für seine Kunstwerke gedient und sein kreatives Leben hat sich im Kern im öffentlichen Raum, im „Untergrund“, geformt.
Aus der soziologischen Sicht spielt Revolte in seiner Kunst keine Hauptrolle, es geht eher um das Bedürfnis den Raum, der hoch anonym, steril und systematisiert ist, sozialer zu machen. Seine eigene Subkultur ist in der unterbewussten Opposition gegen das Establishment (die Eltern, die Schule, der Staat) entstanden – gegen das Establishment, in welches Jugendlichen allgemein keinen Zutritt haben und wo sie nur dessen Objekt sind. Im Alternativen Niveau der Subkultur kann man aber eigene Regel bauen und entsprechenden Einfluss haben. Die Kunst wird so zum Mittel der sozialen Integration und Adaptation. Darum kommt auch Miko zu seinen Lieblingsplätzen zurück. Außer Berlin oder Paris ist ihm natürlich auch Prag nah, aber sein kreatives Leben ist immer von Lust aufs Entdecken von anderen Subkulturen und vom permanenten Reisen geprägt. Was zum Teil auch zu seiner permanenten Segregation geführt hat.

Seine Bilder befinden sich heute in den privaten Sammlungen, u. a. bei John Taylor – New York, Christe Gustafsson – Stockholm, Filip Piec – Hamburg, Natasha Petric – Zagreb usw. Der Künstler wird dafür anerkannt, dass er nicht nur in Prag, sondern auch in Paris, Berlin oder z.B. in den Niederlanden und Italien ausstellt und malt. Dadurch wird auch seine Autorenposition in der internationalen Kunstszene geprägt.
Vlasta Čiháková Noshiro (von Lucie und Simon Römer übersetzt)